In Zeiten stetig steigender Preise pflanzen immer mehr Hobbygärtner im eigenen Garten gesundes Gemüse statt Blumen an. Viele achten dabei auch darauf, dass das Saatgut Bio ist, aber was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff und wo liegen die Unterschiede zu den herkömmlichen Sämereien? Vermehrt ist auf den Tütchen im Gartenmarkt das Wort Bio Saatgut zu finden, aber leider werden die Samen deshalb nicht zwangsläufig nach streng ökologischen Kriterien produziert. Der Name wird von den Herstellern, natürlich immer im Rahmen der vom Gesetzgeber vorgegebenen Vorschriften, ganz bewusst zu Werbezwecken genutzt.
Keine einheitliche Regel
Wer im Gartenmarkt Samen für Gemüse kauft und auf der Tüte das Wort „biologisch“ findet, kann diese Angaben nicht überprüfen, denn eine einheitliche Regel für die Deklaration Bio gibt es bedauerlicherweise nicht. In den meisten Fällen produzieren die Hersteller der Gemüsesamen ihr Bio Saatgut nicht nach den Regeln des ökologischen Landbaus. Bei den sogenannten Mutterpflanzenkulturen, die für Gewinnung des Saatguts notwendig sind, werden genauso wie in der konventionellen Landwirtschaft chemische Pflanzenschutzmittel und mineralische Dünger eingesetzt. Natürlich nur, wenn es nach den gesetzlichen Vorgaben erlaubt ist.
Wo liegen die Unterschiede?
Wo sind die Unterschiede zwischen dem herkömmlichen und dem Bio Saatgut zu finden? Den größten Unterschied gibt es insbesondere bei den historischen Sorten, die durch eine sogenannte klassische Auslesezüchtung entstanden sind. Ansonsten gibt es noch die Hybrid-Sorten, die man einfach an ihrem Namenszusatz „F1“ erkennen kann. Diese Sorten dürfen nicht als biologisch einwandfreie Sämereien verkauft werden. Das Gleiche gilt für die Sorten, die durch ein biotechnisches Verfahren hergestellt wurden.
Dabei kann es sich beispielsweise um eine Polyploidisierung handeln, eine Vervielfachung des jeweiligen Chromosomensatzes. Dieses Verfahren ist beliebt und in den meisten Fällen wird Colchicin, das Gift, das in Herbstzeitlosen enthalten ist, als Ersatz genommen. Damit werden die Chromosomen im Zellkern daran gehindert, sich zu teilen. Als Bio Saatgut dürfen außerdem keine Sämereien verkauft werden, die mit sogenannten Fungiziden oder anderen Präparaten aus der Giftküche behandelt werden.
Die Geschichte der Auslesezucht
Seit die Menschen das Nomadendasein aufgegeben und sich mit Ackerbau beschäftigt haben, stand auch Gemüse auf dem Speiseplan. Das wohl älteste Zuchtverfahren der Welt ist bis heute die Auslesezucht. Die Zuchtform war schon im Altertum bekannt und sie ist sehr einfach nachzuvollziehen: Die Bauern in der Antike haben bei jeder Ernte die Samen der Gemüse- oder Getreidepflanzen für das nächste Jahr gesammelt. Aus diesen Samen wuchsen dann schöne, gesunde und große Früchte.
Jede einzelne der Pflanzen, die auf dem Feld gewachsen sind, hatten besondere Eigenschaften. So wurde eine Sorte besonders groß und eine andere entwickelte einen besonders intensiven Geschmack. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch die Form oder eine spezielle Färbung. Über Jahrhunderte hinweg entstand dadurch eine Fülle von ganz unterschiedlichen Getreide- und Gemüsesorten. Heute sind viele davon leider vom Aussterben bedroht, da sie kaum noch kultiviert werden.
Das moderne F1-Zuchtverfahren
Im Gegensatz zur Auslesezucht, einem sehr alten Verfahren mit einer langen Geschichte, ist die sogenannte F1- oder Hybrid-Züchtung noch ein junges Verfahren, um Gemüse oder Getreide zu züchten. Diese Züchtung basiert auf der bekannten „Mendelschen Vererbungslehre“, die viele vielleicht noch aus der Schulzeit kennen. Bei diesem Verfahren werden die Elternarten aus zwei Pflanzen gezüchtet, die ein identisches Erbgut haben. So etwas führt zwangsläufig zu Inzuchtlinien, die bedauerlicherweise auch alle schlechten Eigenschaften vererbt bekommen. Diese F1-Generation, also das Saatgut, was später im Gartenmarkt zum Verkauf angeboten wird, entsteht dann aus der Kreuzung von zwei Inzuchtlinien. F1 bedeutet, die Gene der Elternpflanzen werden mischerbig miteinander kombiniert. So wird gewährleistet, dass immer nur die positiven Eigenschaften der beiden Eltern einheitlich an die F1-Generation weitergegeben werden.
Für eine in jeder Hinsicht hoch technisierte Landwirtschaft sind diese F1-Generationen von großem Interesse. Die Pflanzen, die auf diese Weise entstehen, können immer zu einer einheitlichen Qualität heranreifen. Bei einer F1-Züchtung handelt es sich allerdings nicht um ein Verfahren, bei dem Gentechnik zum Einsatz kommt, wie immer wieder gerne behauptet wird. Bei einer F1-Züchtung findet kein mikrobiologischer Eingriff statt, der das Erbgut der Pflanzen verändert.
Eigenes Bio Saatgut gewinnen
Gemüse, das samenfest und zugleich ökologisch erzeugt wird, kann sich seine typischen Eigenschaften wie beispielsweise seinen einzigartigen Geschmack bewahren. Wenn Hobbygärtner aus diesen Samen wieder neue Samen gewinnen, dürfen sie dieses Bio Saatgut für ihren eigenen Bedarf weiter vermehren. Um eine immer gute Qualität zu bekommen, müssen die Hobbygärtner aber nach Möglichkeit eine Fremdbestäubung der Pflanzen durch andere Sorten vermeiden, die zur gleichen Art gehören. So etwas kann nur funktionieren, wenn sich das ganze Verfahren in einem geschlossenen Raum wie einem Gewächshaus abspielt. Werden dort nur eine Sorte Gurken oder Tomaten angepflanzt, dann können deren Samen später weiterverwendet werden.
Die Blüten selbst bestäuben
Allerdings gibt es noch eine Alternative, und zwar, wenn man die Bestäubung der Blüten selber vornimmt. Dazu wird die Blüte, die bestäubt werden soll, sehr vorsichtig mit der Hand geöffnet, und zwar am besten, kurz nachdem sie aufgeblüht ist. Mit einem festen Pinsel werden anschließend die Pollen der Bestäuberblüte auf die sogenannte Blütennarbe aufgetragen, den oberen Anschnitt des Stempels. Im Anschluss müssen die Blätter der Blüte entfernt werden, die Blüte selbst sollte in ein möglichst engmaschiges Gewebe (Gaze) gehüllt werden. So gelingt es, eine Fremdbestäubung durch Insekten zu verhindern. Reift die Blüte dann später zu einer Frucht, kann daraus sortenechter Samen gewonnen werden.
Beim Anbau von Pflanzen wie Bohnen oder Erbsen und unter der Voraussetzung, dass keine anderen Sorten dieser beiden Gemüsearten in der direkten Umgebung wachsen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass die Blüten mit dem Pollen der gleichen Sorte bestäubt werden.
Video: Biosaatgut liegt im Trend
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Fazit zu Bio-Saatgut
Wie lange hält sich Bio Saatgut eigentlich? Viele Hobbygärtner sind unsicher, ob sie Sämereien, die schon älter sind, überhaupt noch verwenden können. Grundsätzlich gilt: Bei einer idealen Lagerung an einem möglichst kühlen, aber immer frostfreien und trockenen Ort halten sich die Samen der meisten Kräuter und Gemüsesorten zwischen zwei und vier Jahren, so lange bleiben die Samen keimfähig. Besonders lange halten sich die Samen von Tomaten, während bei Fenchel, Möhren oder anderen Doldenblütlern die Fähigkeit, zu keimen, nicht sehr lange anhält. Hier ist es empfehlenswert, bei der Verpackung auf das Haltbarkeitsdatum zu schauen und eventuell neue Sämereien zu kaufen.
Bild: @ depositphotos.com / Almaje
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